Zuvor gab es in meinem näheren Verwandtschaftskreis zwei unerwartete Todesfälle. Bei den Obduktionen wurde in beiden Fällen ein Aneurysma gefunden. Mir wurde geraten, mich auf ein mögliches Marfan-Syndrom untersuchen zu lassen. Ich habe mich dann von einem Kardiologen am Wohnort untersuchen lassen. Dieser konnte bei mir kein Aneurysma feststellen. Er meinte aber, dass ich in der Vergangenheit einen leichten nicht bemerkten Herzinfarkt hatte. Zur Abklärung dieses Verdachts war ich dann in einem Krankenhaus an meinem Wohnort. Bei der Herzkatheteruntersuchung konnte der Verdacht auf einen Herzinfarkt in der Vergangenheit ausgeschlossen werden. Gleichzeitig wurde aber vermutet, dass ich doch ein Aortenaneurysma habe. In einer folgenden CT-Untersuchung wurde dies dann bestätigt.
Nach einigen Wochen des Nachdenkens habe ich mich genetisch wegen des Verdachts bzgl. des Marfan-Syndroms beraten lassen. Ich wurde dazu als erstes genau körperlich untersucht und zu auffälligen Vorkommnissen in der Verwandtschaft befragt. Das Gesamtergebnis war nicht eindeutig. Die Genetikerin sprach von einer Wahrscheinlichkeit von 50 zu 50 für ein Marfan-Syndrom. Mir war ziemlich schnell klar, dass ich Gewissheit brauchte und entschied mich für eine Untersuchung meiner Gene. Ich musste dazu einen entsprechenden Aufklärungsbogen unterschreiben und mir etwas Blut abnehmen lassen. Die Untersuchung konnte dann viel schneller als geplant abgeschlossen werden, da inzwischen das Untersuchungsergebnis meines Neffen vorlag. Mit dem Befund meines Neffen konnte dann bestätigt werden, dass ich die gleiche Genmutation und somit das LDS habe. Die Genetikerin hat mir viele Unterlagen mit Informationen zum LDS und zum Marfan-Syndrom (weil das Marfan-Syndrom in vielen Bereichen Ähnlichkeiten zum LDS hat) weitergegeben. Zu diesen Informationen gehörte auch ein Hinweis auf die Existenz der Marfan Hilfe.
Seit den unerwarteten Todesfällen in der Verwandtschaft hatte ich mit starker Angst bis hin zu Panikattacken zu kämpfen. Ich hatte massive Angst, dass auch mein Leben urplötzlich zu Ende sein könnte. Die Angst ging soweit, dass ich morgens nach dem Aufwachen überrascht feststellte, dass ich immer noch lebe. Diese Situation machte eine intensive psychotherapeutische Behandlung notwendig. Wirklich geholfen hat sie mir aber erst später.
Kurz nachdem ich das genetische Untersuchungsergebnis erhalten habe, stand bei mir ein Umzug an einen anderen Wohnort an. Das hatte zur Folge, dass ich mir neue Ärzte suchen musste. Da die Genetikerin mir auch regelmäßige kardiologische Untersuchungen empfohlen hatte, nannte mir mein neuer Hausarzt eine kardiologische Gemeinschaftspraxis an meinem neuen Wohnort. Beim ersten Termin in dieser Praxis wurde ich von einer Ärztin untersucht. Sie meinte, dass sie noch nie vom LDS gehört habe und hielt die von der Genetikerin empfohlenen Untersuchungen für überflüssig. Sie wolle mich nicht unnötig verunsichern. Die Ärztin hat nicht verstanden, dass sie mich mit diesen Aussagen erst richtig verunsichert hat. In dieser Praxis fühlte ich mich nicht gut versorgt.
Ich habe mich dann erinnert, dass ich bei der Marfan Hilfe eine Liste von Kliniken mit Marfan-Sprechstunde gesehen hatte, und habe dann in der nächst erreichbaren Klinik einen Termin bekommen. Nach einer sehr ausführlichen Untersuchung wurde mir in einem langen Gespräch die weitere Planung der Behandlung und der Untersuchungen vorgestellt. Diese deckten sich mit den Empfehlungen der Genetikerin. Für meinen Blutdruck wurde mir ein Tagesdurchschnitt von 120 zu 80 empfohlen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden mir entsprechende Medikamente genannt. Als ich mit dem Bericht aus der Marfan-Sprechstunde zurück zu meinem Hausarzt kam, war er sofort von dem ausführlichen Bericht überzeugt und meinte, dass meine Entscheidung für die Klinik sehr gut war. Seither werde ich jährlich zu einer Routinekontrolle eingeladen. Bei Fragen, die zwischen den Kontrollterminen entstehen, kann ich mich telefonisch bei den Ärzten der Marfan-Sprechstunde melden und habe bisher immer eine kompetente Antwort erhalten. Seit dem ersten Termin dort bin ich auch vollständig von meiner Angst befreit. Mir ist klar geworden, dass ich nicht vor dem Tod Angst hatte, sondern befürchtet hatte zu sterben, weil ich von Ärzten nicht ernst genommen wurde.
Seither habe ich auch den Mut, mich intensiv mit den Informationen zum LDS zu beschäftigen. Jetzt sehe ich einige Dinge aus der Vergangenheit in einem anderen Licht. Bereits als Kind und auch noch als Erwachsener mussten bei mir mehrfach Leisten- und Nabelbrüche operiert werden. Mein Lungenvolumen ist um ein Drittel niedriger als zu erwarten wäre. Im Jahr 2006 wurde bei mir eine Osteoporose festgestellt. Die Zähne in meinem Unterkiefer haben offensichtlich zu wenig Platz, da die Eckzähne nach vorne regelrecht herausgeschoben wurden. Seit über einem Jahr leide ich an chronischem Spannungskopfschmerz ohne bisher sichtbare Gründe.
Das sind meine Erlebnisse mit LDS bis zum heutigen Tag. Wahrscheinlich wird in den nächsten Jahren noch das eine oder andere Erlebnis hinzukommen. Aber mit den von der Marfan Hilfe und Betroffenen bereitgestellten Informationen werden auch diese zu einem guten Ende kommen.
/ M. M.